Von der Serengeti zu Stuttgart 21

Richard Rogler präsentierte beim Zeltspektakel einen "politikfreien" Rundumschlag

Wolf-Dieter Truppat

Wendlingen. Mit schwarzem Hemd an dunklem Anzugstuch mit bloßem Auge kaum von einem Architekten zu unterscheiden, gefiel sich der
Humor-Haudegen Richard Rogler bei seinem selbstquälerischen Solo unter der schützenden Kuppel des Wendlinger Zeltspektakels zunehmend als erkennbar schlecht gelaunter Deutscher, dem er dank seines angeblich erfolgreichen "Entzugs von der Droge Politik" erstaunlich nahe kam. Eisern gewillt, sich nicht politisch zu äußern, verbiss er sich immer mehr in zynische Apercus, blanke Häme und teilweise rabenschwarzen Humor - und konnte damit bei seiner Fangemeinde unentwegt punkten.

Das Thema "Stuttgart 21" bildete den aktuellen Rahmen seines Programms, bei dem Rogler unbarmherzig auf die üblichen Verdächtigen eindrosch, um zum guten Schluss noch zu einer wahren Hymne auf die Festival-Organisatoren anzuheben, die man so keinem anderen abgekauft hätte. Der fein gekleidete und dennoch hemdsärmlig gebliebene Kabarettist überzeugte aber auch mit dieser devoten Verneigung, denn er hatte ja mit seiner Begeisterung für die umsichtigen Organisatoren und den eindrucksvollen Empfang durch das intensiv mitgehende Publikum völlig recht. Von Anfang an hängten alle an seinen oft gequält zusammengebissenen Lippen und erlebten einen altgedienten Vollblut-Kabarettisten in Hochform, der es einer heranwachsenden Generation selbsternannter „Comedians“ nicht leicht macht, gegen ihn anzutreten. Auch wenn er sich gerne als Auslaufmodell präsentiert und immer wieder mit der über Jahrzehnte praktizierten kabarettistischen Knochenarbeit kokettierte, zeigte er sich auf der Höhe seines Könnens in eine Frische und mit einen Biss, denn viele Epigonen suchen und nie finden werden.

Dass "die Revolution" plötzlich aus Stuttgart kommen soll, bringt selbst den abgeklärten Zyniker Rogler völlig aus dem Häuschen. In einem Land, in dem er eine Revolte nur dann für möglich gehalten hätte, wenn jemand am Grundrecht der Kehrwoche rüttelt, gibt er dem tot geglaubten politischen Kabarett wieder eine Chance, kritisiert sich durch das aktuelle Personal der Zeitgeschichte und setzt immer wieder Treffer, die tatsächlich nur einem hartgesottenen Kabarett-Publikum zugemutet werden können.

Gegen den zur Lichtgestalt verklärten Vermittler Heiner Geißler schiebt Richard Rogler dicke Vorbehalte vor sich her und erinnerte an die Entgleisungen des "abgehalfterten Politikers", der einst die ihn jetzt aktuell zum Messias gleichen Mediatoren ausrufenden Grünen als "grüne Faschisten" diffamierte und die SPD um den Friedensstifter Willi Brand für die "fünfte Kolonne des Bolschewismus" hielt. Für den Heiner Geißler zugedachten Job als Schlichter sieht Rogler ihn nur deshalb als geeignet an, weil er "ein bisschen dem Juchtenkäfer ähnelt", der derzeit ja ebenfalls im Fokus steht.

Deshalb ist ihm der altgediente Politprofi und telegene Dauer-Talker immer noch lieber als "Entwicklungshelfer" Dirk Niebel, der "den ganzen Tag in der Gebirgsjägermütze herumläuft" und das Problem des Hungers in der Welt am liebsten mit Gewalt lösen würde, während ein über den Tellerrand hinausschauender Umweltausschuss des Bundestages mit Steuermitteln durch die Serengeti reist, um erst dort zu der ernüchternden Einsicht zu gelangen, dass die für ein vergleichbares Naturreservat erforderlichen Zehntausende von Quadratkilometern Savannenfläche in Deutschland gar nicht bereitstehen.

Überzeugt, dass Wähler und Politiker nun einmal nicht zusammenpassen, spricht sich Rogler aber klar für den Fortbestand des politischen Parteiensystems aus, das all die Menschen auffangen kann, die auf natürliche Weise keine Freunde finden. Wie sehr Menschen in diesen geschützten Biotopen zu politischen Schwergewichten heranreifen, machte er am Beispiel des SPD-Strategen und ehemaligen Umweltministers Sigmar Gabriel deutlich, mit dem man heute zur Not auch leicht das Ozonloch stopfen könne.

Nach der Pause, die der rüstige Referent sich erst nach einem über 75 Minuten währenden politischen Rundumschlag gönnte, wandte sich Richard Rogler gramgebeugt dem Thema Gesundheit zu. Fit wie nie bestätigte der angeblich von der Polit-Droge befreite Überlebenskünstlers, dass er trotz düsterster Prognosen seines Arztes inzwischen sogar wieder Doppel-CDs kaufe.

Nachdem er die Zugabe gleich ins Programm eingebaut hatte, um das kräftezehrende Ritual des Abschieds vom Publikum und die erklatschte Rückkehr auf die Bühne pragmatisch abzukürzen, überraschte er abschließend mit einer genialen Lösung des ernsten Themas "Stuttgart 21": Die Vermittlung wird an den eloquenten ehemaligen Ministerpräsidenten ­Oettinger übertragen. Die Verhandlungssprache ist Englisch und die positive Folge steht für Richard Rogler ganz klar fest: Jetzt versteht niemand mehr etwas und alle sagen nur noch "Yes, we can".