"Mutti Merkels" Zeitgeist

WENDLINGEN: Richard Roglers Kabarett sorgt für gelungene Premiere auf dem neuen Zeltspektakel-Platz beim Freibad

Von Elisabeth Maier

Baden-Württembergs ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger bringt der Kabarettist Richard Rogler als Vermittler bei dem umstrittenen Projekt Stuttgart 21 ins Spiel. "Und warum?", fragte er am Donnerstag beim 28. Zeltspektakel, das zum ersten Mal beim Wendlinger Freibad im Speckweg stattfand, das Publikum. Die Antwort hatte der Altmeister des Kabaretts selbst parat. "Wenn die Gespräche in Englisch geführt werden, sagt er ohnehin nur 'Yes', um sich nicht zu blamieren." Roglers politische Spitzen sind scharf wie eh und je. 2006 bis 2008 gehörte der 61-Jährige zum festen Ensemble der Kabarettsendung "Scheibenwischer" in der ARD, die einst Dieter Hildebrandt begründete. Rogler steht noch immer mit ungebrochener Energie auf großen deutschen Kabarettbühnen und zieht die deutschen Politiker durch den Kakao. Mutti Merkel hat es ihm ebenso angetan wie einst SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping, der sich mit seiner Geliebten im Badeurlaub ablichten ließ.

 

Blitzkarriere bei der FDP

Rogler legt den Damen eine Blitzkarriere bei der FDP nahe ("In vier Wochen sind Sie Abteilungsleiterin bei Dirk Niebel im Entwicklungshilfeministerium"). Dann kritisiert er die inhaltliche Substanzlosigkeit der SPD, bei der Klaus Wowereits Worte "Ich bin schwul und das ist gut so" in jüngster Zeit zu den wesentlichsten Aussagen gehört hätten. 500 Besucher, die zur Premiere des Zeltspektakels auf dem neuen Platz gekommen waren, lachten über Roglers brillante Pointen, die der Künstler auch nach mehr als 30 Jahren auf der Bühne virtuos beherrscht. Er käut nicht nur Schlagzeilen wieder, sondern reflektiert kühl den Zeitgeist.

Mit seiner charakteristischen Mimik, die er oft eine Spur zu dick aufträgt, nimmt der Kölner mit den markanten Zügen aber nicht nur die hohe Politik aufs Korn. Der kluge Kopf, der den Philosophen Hegel als seinen wichtigsten Autor nennt und der mit markigen Worten gegen die "Verdummung des Publikums in der heutigen TV-Comedy" zu Felde zieht, schaut ebenso gerne der Alternativszene durchs Schlüsselloch. Da gerät die Herstellung von Quitten-Zitronengras-Gelee, "das nach nichts schmeckt", zum einzigen Lebenszweck von Damen in der Midlife-Crisis. Späte Eltern stilisierten ihre Kinder zu Hochbegabten, selbst wenn sie mit einer glatten Sechs durch die Mathematikarbeit rasseln. Diesen Traumtänzern rät der grandiose Grantler, den Knirpsen doch einfach die nackte Wahrheit zu sagen, wenn ihre krakeligen Strichzeichnungen völlig daneben geraten sind. "Nur nicht so viel loben", warnt Rogler die Eltern im Publikum: "Sonst wird ein Kind wie einst CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla eines Tages noch Bundeskanzler." Mit Sprüchen wie diesem offenbart der Kabarettist seine zynische Ader.

Dass politisches Kabarett gewiss kein aussterbendes Genre ist, zeigte das erfrischende Lachen des Publikums in Wendlingen. Zweieinhalb Stunden lang unterhielt er die Menge bestens. Am Ende gab es noch ein rührendes Dankeschön für die ehrenamtlichen Zeltspektakel-Macher. So eine tolle Betreuung habe er in 30 Jahren nicht erlebt, meinte Richard Rogler begeistert nach seinem "wohl allerersten Auftritt in einem Zirkuszelt".

Kämpferisch wie eh und je präsentiert sich Richard Rogler beim Zeltspektakel. Das politische Kabarett des Altmeisters hat nichts von seinem Biss eingebüßt.Foto: Rudel